Der leere Platz
In der Marienkirche in Lübeck hängt ein berühmtes Altarbild von Hans
Memling. Das Bild stellt die Kreuzigung Jesu dar. Man sieht die drei Kreuze
in den Himmel ragen. Jesus und die beiden Schächer neben ihm hängen
daran. Unter den Kreuzen sieht man ein buntes Gewimmel von Gestalten.
Da drängen sich Kriegsknechte und neugieriges Volk, weinende Frauen
und stolze Priester. Aber genau in der Mitte, gerade unter dem Kreuz Jesu,
ist ein Platz ausgespart. Da ist deutlich eine leere Stelle zu sehen.
- Es ist, als wollte der Maler den
Betrachter fragen, wer auf dem leeren
Platz unter dem Kreuz stehen sollte. Jeder der das Bild anschaut,
soll merken: Ich muss dort stehen. Unter dem Kreuz Jesu ist mein Platz.
Dorthin darf ich mit meiner Sorge und
Angst, Einsamkeit und Verwundung,
Sünde und Schuld kommen. Da ist ein Platz frei für mich.Jesus wartet in Liebe
auf mich. Mein Leben hat er am Kreuz
getragen und gelöst. Dort unter dem
Kreuz Jesu finde ich Frieden und
Versöhnung, Heilung und Hoffnung,
erfülltes und ewiges Leben. Der Platz ist leer, ich kann ihn einnehmen
und dort alles empfangen, was Jesus für mich erkämpft hat.
Nun, was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last;
ich hab es selbst verschuldet, was du getragen hast.
Schau her, hier steh ich Armer, der Zorn verdienet hat,
Gib mir; o mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad.
(Paul Gerhardt)
Aus "Überlebensgeschichten für jeden Tag" von Axel Kühner